Weltweit gibt es nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation circa 285 Million Menschen mit Sehschädigungen, davon circa 39 Millionen Menschen, die blind sind. Der teilweise oder vollständige Verlust des Sehvermögens schränkt Blinde und Sehbehinderte in erheblichem Maße in Ihrem Arbeits- und Sozialleben ein. Sich ohne fremde Hilfe im öffentlichen Raum zu orientieren und fortzubewegen, gestaltet sich schwierig: Gründe hierfür sind Probleme bei der Wahrnehmung von Hindernissen und Landmarken, sowie die daraus resultierende Angst vor Unfällen und Orientierungsschwierigkeiten. Weitere Probleme im Alltagsleben sind: das Lesen von Texten, die Erkennung von Geldscheinen, von Nahrungsmitteln, Kleidungstücken oder das Wiederfinden von Gegenständen im Haushalt.
Zur Unterstützung können Blinde und Sehbehinderte bereits auf eine Reihe von technischen Hilfsmitteln zurückgreifen. So können digitalisierte Texte durch Sprachausgabe oder Braille-Ausgabegeräte zugänglich gemachtwerden. Es gibt auch verschiedene, speziell für Blinde hergestellte Geräte, wie „sprechende“ Uhren oder Taschenrechner. Das wichtigste Hilfsmittel zur Verbesserung der Mobilität ist mit großem Abstand der Blindenstock. Zwar wurden in den vergangenen Jahren auch einige elektronische Hilfsmittel zur Hinderniserkennung oder Orientierungsunterstützung entwickelt. Diese bieten aber nur eine sehr eingeschränkte Funktionalität zu einem relativ hohen Preis, und sind daher eher selten im Einsatz.
In diesem Seminar wird zunächst eine Einführung in das Thema IT-basierte Assistive Technologien (AT) für Sehgeschädigte gegeben. Hierzu werden wir zunächst Grundlagen zu Sehschädigungen, deren Ursachen und Auswirkungen besprechen und dann existierende AT für verschiedene Anwendungsfelder besprechen - wie AT für den Alltag, für die Mobilitätsunterstützung und den Informationszugang. Ein wichtiger Bestandteil des Seminars wird es dann sein, über aktuelle Forschungansätze zur AT für Sehgeschädigte zu diskutieren. Hierbei wird der Fokus insbesondere auf videobasierten Ansätzen liegen. Der Einsatz von Methoden des Maschinellen Sehens (Computer Vision) bietet ein riesiges Potential zur Entwicklung von Assistenzsystemen, welche Fähigkeiten haben könnten, die weit über das Leistungspotenzial der derzeitigen Lösungenhinausgehen. So ermöglichen es heutige videobasierte Ansätze Hindernisse in Echtzeit zu erkennen, diese zu klassifizieren (Mensch, Auto, Verkehrszeichen, Telefonzelle, …), Pfaden zu folgen, Schilder und Texte sowie Gebäude oder andere Landmarken und Alltagsgegenstände zu erkennen.